"Erst wenn wir auch die Ruinen zerstört haben, haben wir alles zerstört. Aber dafür gibt es nur eine Möglichkeit: schöne ordentliche Bauten daraus machen."
(Jarry, Widmung zu "Ubu in Ketten")

Das ist die rechte Frauenkirche nicht, fürcht ich. Mir träumte letzte Nacht, ich hätte die alten Grundmauern gesehen, zehn Meter vom Gebäude entfernt, auf jeder Seite. Mit alten Bildern, gemalten und fotografierten, hab ich sie verglichen und immer scheint sie zu schmal. Sollte sie nicht wie eine Glocke über der Stadt sitzen, wie eine große Kaffeemütze? Mag sie noch so in die Höhe wachsen, sie wird nur ein Turm unter anderen sein. Zwei Stunden bin ich um den Bau herumgegangen: was für ein Kult um dieses Gebäude, das doch für den eigentlichen Kult nur die Hülle sollte darstellen. Ist sie wiederauferstanden oder ist sie nur ein Zombie vom Friedhof der Kuschelkirchen? War die Ruine etwa der häßliche alte Pfosten im neuen Haus, in den die schwarze Spinne gebannt war, die aus ihrem Versteck herausgrinste, als der Pfosten erneuert ward? Die schwarze Spinne, die schwarze Sonne, kriecht sie heran von der Wewelsburg, auf acht Beinen, acht Armen, was für abscheuliche Kränze liegen da am Denkmal der Trümmerfrau, wird sie zum Thoren, der in Freyas Kleidern den Hammer heimholt?
In der Straßenbahn saß eine wahnsinnige Frau, die sagte immerfort: "Baut schneller! Baut schneller, damit bis zum nächsten Krieg alles fertig ist!"
Mein Gott, sie haben ... die Frauenkirche wieder aufgebaut. Und sie ist so wunderschön.

Dass die Dresdner knatschig sind, find ich eher gut. Aber dass man es ihnen nie recht machen kann, glaube ich nicht.
man HAT es ihnen einfach bisher nie recht gemacht, das heisst aber für mich nicht, dass das nicht GINGE.

Bisher hat man den Dresdnern ja auch wenig Gelegenheit gegeben, alles gut zu finden: Dresden hat ja eine leidvolle geschichte hinter sich.

Ob das mit der Frau in der strassenbahn stimmt
(in berlin seh ich jeden tach so leute !)
, oder ob es fiktiv ist, würde mich interessieren. Ich hatte einen ähnlichen Gedanken auch schon:

"Lohnt es sich denn, das alles wieder aufzubauen? Wenn sowieso immer wieder Kriege ausbrechen, wird die kirche eh wieder zerstört. "

nun, wenn man so denken würde, bräuchte man ja gar nicht erst zu leben. dann kann ich mich auch gleich ins grab schmeissen. dazu hab ich aber keine lust.

kriege brechen aus oder nicht aus, unabhängig davon, ob dresdens altstadt wieder aufgebaut wird oder nicht.
ich bin dafür , sie wieder aufzubauen. die brühlsche terrasse ist sehr schön, aber sie ist keine altstadt. sie ist nur ein teil davon.

ich würde dem III. Weltkrieg nicht den Gefallen tun, zu sagen: "wir haben dir die arbeit abgenommen, und dresden gar nicht erst wieder aufgebaut. du sparst nun geld, und hast weniger arbeit".

es mag blöd klingen, aber so herum kann man das tatsächlich sehen. ich sehe das gar nicht notwendigerweise so herum. aber man könnte.

dass die dresdner so bewusst sind über kriege, und politische ursachen etc find ich sehr gut. ich komme zwar aus dem westen aber sehe das nicht wesenltich anders.
ich halte zwar nichts vom SED-sozialismus, aber dass der Kapitalismus hohe Gefahren birgt, davon bin ich überzeugt.
Er hat aber zuminmdest den Vorteil, dass man ihn LAUT, richtig LAUT hinterfragen und kritisieren kann.

auf jeden fall sehe ich nicht, warum nur die dresdner für einen krieg zahlen müssen. wenn ich durch dresdens innenstadt
- fernab von dem kleinen areal zwinger, elbfront, wildsdruffer strasse - wandele, bekomm ich aber diesen eindruck.

mein engagement ist aber PRO dresden zu sehen.

die gefahren die du ansprachst, verstehe ich. aber sie überzeugen mich nicht, dass alte dresden sowohl baulich als auch in der erinnerung auszulöschen.

in keiner stadt wird die vernichtung so hochgehalten und hoch stilisiert wie in dresden. man sehe sich fotos von köln, hamburg, frankfuirt etc an. das sah nicht anders aus.

aber in dresden wurde am radikalsten mit der vergangenheit gebrochen.

das problematische ist aber:

räumt man die vergangenheit kompromisslos ab -
dann räumt man nicht nur 12 dunkle kapiteljahre ab, sondern eventuell 1000 jahre gemischter kapitel. es ist unsere herkunft.

ich könnte noch 3 stunden schreiben, aber muss leider zurück zu meiner dipl. arbeit

(ich hoffe es ist OK., wenn ich dich etwas kritisiere, shelog !
vielleicht seh ich das nicht viel anders als du. es ist übers netz schwer zu ermitteln. )

mit meiner euphorie über die kirche hast du allerdings recht. die war überschwenglich. nu, so bin ich nu mal.

:-)

auf jeden fall erstmal alles gute und viele grüße

PS
ich hoffe es ist OK, wenn ich mich hier einmische ? weil hier so viel "frauengeschichten" stehen, bei manchen frauen hatte ich immer den eindruck, man ist nicht willkommen "alle männer sind schlecht", etc
ich selbst kann gar nicht sagen, ob ich mit männern oder frauen besser auskomme, dazu sind beide zu heterogen.
ich komme immer mit lieben menschen gut aus.ich kann das gar nicht nach geschlecht trennen. was mir auf den nerv geht , sind sowohl prollige aggressive männer mit goldkettchen und angebertum, aber genau so die "hohe schuhe-lippenstift" - fraktion, ich finde die passen so wunderbar zusammen. vielleicht gibts beide in dresden weniger, das würde ich als vorteil sehen. als ich in dresdn war, fiel mit die freundlichkeit der menschen auf, sowohl männer als auch frauen. ich kann nur in kategorie "Mensch" denken, eine andere funktioniert bei mir nicht.

mit den geschlechtern ist es wie mit dem
(fastbundes-)Land Baden, in Baden-Württemberg:

"es gibt badische, und unsym-badische !"

(au wei, hab ich wieder viel geschrieben. mein vater war journalist, ich befürchte, das färbt ab!)